Hein und Ida im Lichtpunkt

Auf vielen Hochzeiten tanzen

1. Brief
Liebe Sabine, Seit 2 Monaten bin ich jetzt im Norden Indiens, weitab von Bollywood und Touristencentren. Es stürmte eine vollkommen neue Welt auf mich ein. Ich bin von meinem Freund eingeladen worden, den ich vor fast 3 Jahren in  Deutschland kennen gelernt habe, er ist Inder. Die Kommunikation ist ausgezeichnet, da er durch mich sehr gut Deutsch sprechen gelernt hat. Er mußte zurück nach Indien.

Ende Januar 08 kam ein Hilfeschrei von ihm, denn seine Eltern wollten ihn mit einer unbekannten Frau, wie hier so üblich, verheiraten. Doch er will mit mir zusammen sein, weil er mich liebt. Ich liebe ihn auch, doch ich habe einerseits Zweifel, ob es sein soll, da ich viel älter bin als er.

Koffer gepackt, hingeflogen und am 14.2. 08 haben wir geheiratet. Er hat eine riesige Familie. Doch ich verstehe (leider) die Sprache nicht. Ständig war Besuch da., um mich anzuschauen. Ich komme mir wie ein Weltwunder vor. Die Leute, egal alt oder jung bleiben stehen, um mich anzuschauen, was okay ist. Sie sind sehr freundlich und offen und interessiert. Wirklich alle sehr herzlich. Hier sind viele Menschen untereinander wie Brüder und Schwestern.

Die Hilfsbereitschaft ist groß. Doch sie stürzen sich in Schulden wegen Hochzeiten, in denen dann Autos, Motorräder, Kühlschränke, Fernseher usw. verschenkt werden müssen. In der Zeit Oktober bis April wird hier permanent geheiratet, weil kühlste Zeit. Außerdem ändern sie ihre Entscheidungen von einer Sekunde zur anderen. Es gibt hier kaum Regeln, was ja okay ist.

Doch gab es zum Anfang eine Zeit wo ich mich unendlich traurig fühlte und nur heulen konnte. Er sagte immer, ich will, dass du glücklich bist. Ich hatte so gemischte Gefühle von: Ich möchte unbedingt schwanger werden mit Zwillingen, die ich mir schon seit 7 Jahren wünsche, dann war das Gefühl, dass ich so gar nicht in diese Familie passe, da die Kommunikation so schwer war. Sie sprechen immer so viel und so laut.

Das Essen ist immer das Gleiche und so stark gewürzt, dass ich so gar kein Gemüse rausgeschmeckt habe. Und dann jeden Morgen um 4 Uhr dröhnt es aus allen Sikh-Tempeln gleichzeitig. Die Gleichgültigkeit Tieren gegenüber. Zum Teil werden sie sehr schlecht behandelt. Der Dreck der sich auf den Straßen und in den Seen befindet ist unbeschreiblich. Ein Tag alle arbeitslosen Inder zusammenbringen und dann ist alles sauber.

Ich hatte so viele Ideen eine Änderung zu erwirken doch ohne Geld sind viele Dinge nicht möglich. Zum Beispiel Bio-Toiletten bevor die Chemie kommt. In die Schulen zu gehen, um mit den Kindern zu sprechen und und und… Den Menschen ist der Dreck egal. Sie werfen alles einfach auf die Straße. Warum bin ich hier?

Die Sikhreligion ist eine Religion ohne große Einschränkungen. Wie zum Beispiel gesagt wird, dass jeder Mensch Gott ist. Das wichtigste ist Liebe und Freude untereinander. Jeder bekommt hier zu Essen und zu Trinken. Mann und Frau sind gleichgestellt.

Doch welchen Sinn macht ein Kopftuch und ein Turban, welcher von den echten Sikhs immer getragen wird und im Tempel getragen werden muss? Was bewirke ich hier?

Hier gibt es eine Hündin, die gerade Junge bekommen hat und mit der habe ich mich befreundet. Gebe ihr jeden Tag zu Essen und Streicheleinheiten. Sie ist ganz glücklich. Soviel Aufmerksamkeit und Liebe hat sie in diesem Leben noch nie erhalten. Jeden Tag bekomme ich Besuch von einer Girlgruppe, sie sind zwischen 9 und 13 Jahren. Wir sprechen ein wenig Englisch miteinander. Doch sie sind glücklich wenn ich etwas mit ihnen mache. Und ich auch.

Lange lange habe ich mich gesträubt wieder zu heiraten. Ich habe es jetzt das 4. Mal gemacht. Das 3. und 4. Mal so viel jüngere Männer. Dann lese ich die Durchsage von Seth und zweifle. Ich bin wirklich gern mit ihm zusammen. Es ist schön mit ihm. Doch ich ziehe mich sofort zurück, wenn ich denke, dass eine jüngere besser zu ihm passen würde. Ich fange an zu nörgeln. Eine Zeitlang hatte ich sehr stark mit meinem Selbstwert zu tun. Habe ich es transformiert? Verlustangst? Ich habe gedacht, dass ich das schon angenommen habe?

Ich fühle mich als Pionier und liebe Veränderungen. Ich bin nie länger als 1-1 ½ Jahre an einem Ort. Ich bin voller Begeisterung für neue Projekte doch bis jetzt habe ich noch keine in der Neuen Energie realisieren können. Woran liegt es.?

Manchmal fühle ich, dass ich mich in meiner Entwicklung zurückhalte. Wovor habe ich noch Angst? Ich höre auf mein Herz doch ich würde so gerne auch tief greifende Botschaften erhalten! Ich freue mich auf eure Antwort. In Liebe, Monica

Linke Achillessehne, linkes Knie, linke Hüfte schmerzen. Gestern war ein Tag und eine Nacht, die einer Hölle glichen. Extreme Hitze, die ganze Nacht nicht geschlafen, unendlich viele Mückenstiche, Ventilator so laut und kalt – Unter der Decke so heiß, tagsüber im Auto Klimaanlage so kalt, das meine rechte Seite erfroren ist und mit der linken Seite saß ich in der Sonne. Die Musik während der 3 stündigen Fahrt (70 km) so extrem laut, dass mein Trommelfell kurz vorm Platzen war. Den ganzen Tag als Anschauungsobjekt für die Leute gewesen.

Jeder wollte mich sehen. Das war Stress pur. Am Anfang war ich noch einigermaßen fröhlich doch auf der Rückfahrt war mir alles völlig egal, ich wollte nur noch nach hause ins Bett.

Der Dreck hier ist unbeschreiblich, der Lärm unerträglich, der Straßenverkehr ist ein einziges Chaos. Und es stinkt hier nach Kloake, eklig. Es wird permanent gehupt aus allen Rohren. Was soll ich hier transformieren? Was erkennen? Was annehmen, was loslassen?

Und doch gibt es hier wunderschöne paradiesische Orte. Und witzigerweise geht dort kaum ein Inder hin. Im Moment werden alle Bäume so richtig grün. Die Blüten duften sehr intensiv. Ich habe das Gefühl, dass die Inder sich in ihrem eigenen Dreck wohl fühlen. Vor allem die, die in der Stadt wohnen. Es wäre so schön, wenn ich eine Antwort bekomme.

Antwort
Liebe Monica, Monika und ich haben deine Mail gelesen – und den Kopf geschüttelt über so viel Mut, Lebensfreude und Entschlossenheit. Wir finden, dass du es gut machst: dich selbst und die Welt immer wieder vor Überraschungen setzen, kopfüber von der Klippe springen und nicht wissen, ob unten Wasser oder Gestein ist, ob es hoch oder tief ist. Du machst das gut!

Du lebst in einer hohen Amplitude zwischen Freude und Schmerz, zwischen dir selbst und der Welt. Das tun die wenigsten Menschen. Du stürzt dich in das Chaos rein, tust Dinge, bei denen sich “normale” Menschen die Hand vor den Kopf schlagen und fragen ob du noch alle Tassen im Schrank hast – und wir finden es genial!!

Natürlich geht es nicht darum, Indien zu retten, zu bilden und zu reinigen, sondern DICH SELBST zu finden – und wenn du diesen achtenbahnförmigen Weg dafür gewählt hast, dann spricht überhaupt nichts dagegen. Zögere einfach nicht, den nächsten Schritt zumachen, wenn er ansteht.

In Liebe sind wir mit dir, wo immer du gerade herumstreunst.
Monika, Sabine und Adamas Saint Germain

2. Brief
Liebe Monika, liebe Sabine, lieber Adamas St. Germain,
mit so einer Antwort habe ich überhaupt nicht gerechnet. Dachte so eher an etwas wie bei den anderen. Doch sie gefällt mir. Sie passt zu mir. DANKE für die rasant schnelle Antwort.

Ich war geradezu euphorisch und stürzte mich mit dieser schönen Antwort zur nächsten Hochzeit- wo ich lustvoll aber doch verhalten mich nach der Musik bewegte. Alles hörte auf das zu tun was sie getan haben und guckten die weiße Frau voller Begeisterung und ziemlich erschrocken an denn  Tanzen ist nur der Familie des Jungen vorbehalten. Ich fands lustig. Hier nehme ich mich sehr zurück, da Frauen so etwas nicht machen. ´Doch ich als weiße Frau nehme mir immer mehr Freiheiten heraus.

Ich lese immer und immer wieder eure Antwort, weil ich an der Art und Weise wie ich lebe gezweifelt habe doch nun
mache ich weiter auf der Achterbahnfahrt, um mich selbst zu finden. Ich habe das Gefühl, dass ich von Tag zu Tag freier werde und das ist gut so. Es gibt noch soviel zu erleben, also tun wir’s………..

Mit eurer Liebe diesseits und jenseits der Lichtschranke lebt es sich einfach gut. In aller Liebe und Verbundenheit und bis zum nächsten Mal.  allerherzlichste Grüße aus dem Punjab an euch alle.  Monica


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