Pfingsten und die Ausgießung des Heiligen Geistes

Seit ich vor fünfzig Jahren meine Konfirmationsgeschenke eingesackt habe, ist Kirche für mich kein Thema mehr – abgesehen davon, dass ich Christen, die ihren Glauben ohne Absolutheitsanspruch und Heuchelei entspannt leben, durchaus Sympathie entgegenbringe.

Nur dieser vertrackte Heilige Geist war immer etwas rätselhaft für mich. Einerseits gab es da die Dreifaltigkeit, Vater, Sohn und Heiliger Geist – definitiv ein Herrenclub – andererseits konnte er ausgegossen werden. Klar, „etwas“ kann ausgegossen werden, aber nicht „jemand“. Also doch kein Herrenclubmitglied, sondern eher ein Ding?

Ich stellte mir das etwa so vor, wie das Übergießen eines Hefeknödels mit Vanillesauce. Das ist zwar ein schmackhafter Gedanke, aber bezogen auf Religion wirkt er doch irgendwie banal und ein bisschen albern – vor allem, wenn man sich die Begossenen vorstellt – oder eben einen „Pfingstknödel“.

Aber wie so oft kann man die Dinge ganz unterschiedlich lesen und übersetzen. Ich recherchierte also ein bisschen.

Eine erste Erwähnung des „Heiligen Geistes“ findet man schon im Tanach, den man als „Jüdische Bibel“ bezeichnen könnte: Der Tanach oder Tenach ist die etwa 2700 Jahre alte Sammlung heiliger Schriften des Judentums. Dazu gehört auch die Tora (die Fünf Bücher Mose). Die erste Erwähnung spricht aber nicht direkt vom „Heiligen Geist“, sondern vom „Atem des Heiligen“ (ruach ha-kodesh), gemeint im Sinn „der Atem (oder Hauch) des Göttlichen“

Pfingsten als Fest des Göttlichen Atems gefällt mir schon viel besser.

Es hat etwas freies, überkonfessionelles, unabhängiges auch schwer zu erklärendes, etwas wie der Wind auf dem Meer. Sanft schmeichelnd, erfrischend und kühlend, ein anderes mal kräftige Wellen aufwerfend oder sogar stürmisch alles durcheinander wirbelnd.

Auch ausbleibend, sehnsüchtig erwartet in endlos scheinender Flaute.

Oder beängstigende weiße Schaumkronen im Meer des Lebens aufwerfend, so dass man lieber im Hafen bleibt, wo nur die Masten hin und her schaukeln – um den Preis immer länger auf den „richtigen Moment“ zu warten.

Der Göttliche Hauch, der auch schnell zum Göttlichen Sturm werden kann, ist nicht ungefährlich. Vielleicht bringt er sogar unser Lebensschiff zum Sinken – in der Tat, das kann er, aber er tut es nur dann, wenn wir meinen, dass es genügt, voll Vertrauen Steuer und Leinen loszulassen und die Augen in seeliger Verzückung zu schließen.

Ich weiß, damit widerspreche ich vielleicht vielen, die in spiritueller Hoffnung schwelgen, endlich etwas gefunden zu haben, das ihr Leben regelt, sie schon in die richtige Richtung pusten wird – und vergessen, dass Gefühl und Verstand Bruder und Schwester sind.

Sich dem Göttlichen Hauch anzuvertrauen bedeutet eben nicht, das Navigieren zu vergessen, sondern sich vom Wind voran treiben zu lassen, mit ihm zu spielen, indem man ihn mit all seinem Können nutzt, ihn spürt und auf ihm fliegt. Das kann manchmal ziemlich anstrengend sein und es fühlt sich auch oft verdammt unspirituell an.

Beispiel? Gerne. Eines von Sabines Lieblingszitaten war: „Wenn Du die Welt verändern willst, gründe eine Firma.“

Bitte was? Eine Firma zum Profit machen? Ja warum denn nicht? Die, die das gemacht haben oder auch nur selbstständig arbeiten, wissen, welche Veränderungskraft in solch einem Handeln liegt. Nicht nur im Verändern der Welt, sondern auch in der eigenen Veränderung.

Genauso gut kann der Kurs aber auch lauten, die eigene Kunst zu leben, ein guter Arzt zu sein, ein Autoverkäufer, der seinen Kunden zuhört und ihnen verkauft, was sie wirklich brauchen; um die Welt zu reisen und von fremden Völkern zu lernen, ein bescheidenes Leben zu führen und viel Zeit zu haben, um alle Bücher zu lesen, die man interessant findet. Auch mit Freude Wurst und Käse zu verkaufen gehört dazu.

Woran man den göttlichen Hauch merkt? Ganz einfach: Man lebt sein Leben gerne, man fühlt sich angekommen, muss nicht „gut“ sein und schimpft sich nicht dafür, wenn man es oft nicht ist. Man verzeiht sich und anderen großmütig, sucht nicht ständig nach Schuldigen für die eigene Misere, sondern korrigiert den eigenen Kurs.

Und nein: Das ist nicht leicht, es braucht oft viel Mut und Scheitern gehört dazu, wie Auflaufen im Wattenmeer.

Und ja: Die Mehrheit bleibt im Hafen und nörgelt, findet den anscheinenden Elendsverursacher, langweilt sich, sucht Ersatz für ausbleibende Freude. Gut so. Denn wer knurrt uns sonst im Bus oder auf dem Finanzamt schlechtgelaunt an – und hat vielleicht das Glück, auf jemand zu stoßen, der ihn zum Lächeln bringt, anstatt zurück zu knurren. Einfach weil es mehr Spaß macht und weil man es kann.

Diese Pfingstgedanken wollte ich mit Euch teilen – und glaubt ja nicht, dass ich sie selbst immer beherzige, auch ich liege zu oft im Hafen und knurre mich selbst und andere an, doch es wird schon noch…

Ich wünsche Euch schöne Pfingsten

13 Kommentare
  1. Claudia sagte:

    Nach den ersten Sätzen dachte ich das muss eine Frau geschrieben haben.., nein von Udo. Danke für den schönen Text am Sonntag morgen. Ein guter Anfang. Schöne Pfingsten allen Menschen.

    Claudia

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  2. Ines gross sagte:

    So schön diese Gleichnisse. Merci Udo und atemberaubende Pfingsttage auf hoher See oder sonstwo dir!
    Herzlich, Ines

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  3. kristina sagte:

    lieber Udo!
    ein so wunderbarer Pfingst-letter! schon bei den ersten Sätzen mußte ich schmunzeln und wußte sofort, daß diese Worte aus deiner “Feder” stammen….schöne Pfingsten aus dem Allgäu!
    kristina

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  4. Udo Reuschling sagte:

    Da einige Antworten doch per Mail kommen, beginne ich hier, diese Mails nach Freigabe durch den Absender zu posten<:

    Ute schreibt:
     
    Lieber Udo,
     
    gerade habe ich Deine Pfingstgedanken gelesen. Gestern hatte ich ein Gespräch mit meiner Tochter, was denn Pfingsten überhaupt ist. Ostern war klar, Weihnachten war klar, Himmelfahrt war klar, aber Pfingsten …. Und jetzt kommen Deine Gedanken zu uns und sagen das, was wir gestern in ähnlicher Form auch gesagt/gedacht hatten. Danke.
     
    Insbesondere der Abschnitt  „Woran man den göttlichen Hauch merkt? Ganz einfach: Man lebt sein Leben gerne, man fühlt sich angekommen, muss nicht „gut“ sein und schimpft sich nicht dafür, wenn man es oft nicht ist. Man verzeiht sich und anderen großmütig, sucht nicht ständig nach Schuldigen für die eigene Misere, sondern korrigiert den eigenen Kurs.“  hat mich sehr berührt. Es waren viele Jahre intensiver Arbeit an mir, bis ich eines morgens vor vielen Jahren wach wurde und noch in der Phase zwischen Tagesbewusstsein und noch Halbschlaf (ich liebe diese Zeit) wie ein leuchtendes Schriftband, das sich immer im Kreis dreht, in meinem Kopf die Worte las „ich liebe das, was ich tue  –  ich tue das, was ich liebe“. Von dem Tag an war ich angekommen, das Leben bekam eine Leichtigkeit und Freude und Fülle, für die ich mich voller Dankbarkeit und Demut täglich bedanke. 
    Ich danke Dir ganz speziell für diesen Satz, da Du da etwas in Worte fasst, wofür ich bisher noch keine passenden Worte gefunden hatte. Danke.
     
    Ich wünsche dir wunderschöne Pfingsttage  
     
    Herzensgrüße
    Ute


    Mariann schreibt

    Lieber Udo
    Ich danke Dir für Dein Pfingstgedenken, habe noch nie so etwas spannendes und berührendes über Pfingsten gelesen.
    Ich wünsche Dir ein erfrischender Tanz mit dem Wind
    Mariann

    Antworten
  5. Elke sagte:

    Lieber Udo,
    ich lese schon seit vielen Jahren die Newsletter von Sabine und dem Krisstallmensch-Team. Heute habe ich das erste Mal den dringenden Impuls zu antworten und mich zu bedanken für deine wundervollen Pfingstbotschaft.
    Frohe Pfingsten euch allen und herzliche Grüße.

    Antworten
  6. Ute sagte:

    Wunderschöner Text
    Ich finde mich in Vielem wieder…
    So schön, dass du deine Gedanken teilst – und ich finde, dass du „spirituelle Dinge“ sehr gut weiter geben kannst, sozusagen „praktikabel“ – obwohl du ja immer sagst, dass du davon nichts verstehst :-)
    Danke

    Antworten
  7. Anja Reuter sagte:

    Frohe Pfingsten Udo. Danke für deine Gedanken. Ich bin immer mal wieder ein Kirchengänger, nicht zu oft, katholisch, ausgetreten, wieder eingetreten. Ich spreche häufig Rosenkranzgebete, da gibt es den Heiliggeistrosenkranz, den ich sehr liebe (auf Youtube zu finden). Im Gebet erschließt sich mir immer etwas, auch wenn ich das Brot empfange,Meine Heilgebete und Heilgedanken wirken, auch die meines Mannes, der ebenfalls die Innenschau besitzt und Sabines Webinaren immer mal wieder gelauscht hat. Gut und Böse spielen fast alle Menschen auf der Welt, erst kocht die Wut hoch und dann poltert man oder führt sogar Krieg. Die Angst lässt einen Dinge tun, die nicht immer gut sind für sich und die anderen aber manchmal braucht man ein gutes Urteilsvermögen um weiterzukommen und da ist eine gute Grenze setzen etwas lebensnotwendiges. Viele Menschen Bluffen und geben sich als arm aus, da darf man böse werden. Die Probleme die die Kirche hat, die sind schon so alt und wenn wir in früheren Leben Christen waren dann ist es wichtig sich das Spiel Kirche anzuschauen auch unsere Ahnen tragen diese Energie in sich und deshalb ist es gut die Kirche nicht zu verteufeln. Da gibt es auch viele interessante Geschichten. Die Gebete öffnen Räume in einem und manchmal implodieren wir förmlich und suchen tatsächlich im Außen nach Schuldigen aber ein Gebet kann einen dann auch wieder in die Ruhe bringen. Also mir erleichtert ein Gottesdienst einiges, genauso wie Mantren singen oder eben ein Webinar von Sabine. Ich identifziere mich nicht mit den Pfarrern. Als ich damals mein Kind bekommen habe sagte ich alles steht und fällt mit der Hebamme, ich kann nicht das ganze Krankenhaus für die Fehlleistung einer Hebamme verantwortlich machen so sehe ich es auch mit der Kirche und deren Bediensteten. Die Gebete helfen, wirken, unterstützen, die Angestellten, sind nicht Gott sondern Menschen die Fehler machen und Kriege führen und unter diesen Menschen sind auch viele die aus früheren Leben viel mitbringen, vielleicht dass sie selbst missbraucht wurden und heute missbrauchen. Kirche ist ein Konstrukt, so wie der Staat, so wie ein Finanzamt in dem sich immer etwas zeigt. Noch einen schönen Pfingstmontag

    Antworten
  8. Margrit Saladin sagte:

    Lieber Udo – danke sehr für deine Zeilen, die feine Vanille-Sauce…. Du bist ein richtiger Poet. Interessant deine Ausführungen über Pfingsten, den heiligen Geist. Für mich ist der heilige Geist göttliche Energie – es gibt nur eine Energie – alles ist diese Energie – so ist wohl alles heiliger Geist. Auch wir selbst.
    Ich wünsche dir einen frohen Pfingst-Montag und grüsse herzlich
    Margrit Saladin

    Antworten
  9. Margrith sagte:

    Lieber Udo
    Erst heute hat mir meine Freundin deine Pfingstnachricht vorgelesen.
    Leider kann ich nicht mehr selber lesen , so muss ich jeweils warten ………
    Du hast uns auf diese humorvolle Art den Sinn von Pfingsten nähergebracht ,
    Herzlichen Dank dafür
    Alles liebe für dich !
    Margrith und Brigitte aus der Schweiz

    Antworten
  10. Liane Andersen sagte:

    Vielen Dank lieber Udo für diesen wundervollen Pfingsttext!
    Dir und allen anderen auch wünsche ich eine gute Zeit.
    Herzliche Grüße
    Liane Andersen

    Antworten
  11. Marion Dellinger sagte:

    Danke, lieber Udo für deine Inspiration, die ich gleich aufgegriffen habe, auch wenn sie etwas später als Pfingsten hier erscheint. 😉 Herzliche Grüße an alle!

    Pfingsten 2020

    Mich umfängt ein leiser Hauch,
    sag‘ mir spürst du es denn auch?
    Überall liegt in der Luft
    ein ganz neuer feiner Duft.

    Nie zuvor hab‘ ihn gerochen,
    Woher kommt er nur gekrochen?
    Blumig frisch und etwas süß
    direkt aus dem Paradies!

    Freudig schwingt mein innres Kind
    hält sein Näschen in den Wind
    und hat einen Heidenspaß
    an der Liebe ohne Maß!

    Fröhlich spuckt es in die Hände
    nutzt gleich die Corona-Wende,
    um im Hafen bei den Wassern
    geistig nieder sich zu lassen.

    Strahlend dort wie eine Sonne
    wiegt es sich vor lauter Wonne,
    lenkt sein Licht in voller Güte
    in der Menschen trüb Gemüte.

    Und in wenigen Minuten
    sieht es Augen überfluten.
    Wo die Mühsal fort geweht,
    gleich der Blick viel tiefer geht.

    Ja, der Wohlgeruch, er heilt,
    sich im Atem rasch verteilt!
    Bald ist er in aller Munde!
    Das ist meine frohe Kunde!

    Marion Dellinger
    Im Mai 2020

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